Joe Pulizzi: Auch Disneyfilme sind Content Marketing
Online Marketing

Joe Pulizzi: Auch Disneyfilme sind Content Marketing

Joe Pulizzi ist Gründer des Content Marketing Institute (CMI) und einer der renommiertesten Marketing-Experten in den USA. Er verrät seine Tipps und Tricks.

von Hannes Hilbrecht
Joe Pulizzi in Aktion auf der Content Marketing World. © CMI

Hallo Joe, kannst Du gutes Content Marketing in einem Satz beschreiben?
Content Marketing fokussiert das Bedürfnis einer bestimmten Zielgruppe und befriedigt es über lange Zeit konstant mit tollen und relevanten Inhalten.

Was ist die Aufgabe des Content Marketing Institutes?
Wir möchten eine Plattform sein, auf der sich Marketer über Content Marketing informieren und sich weiterbilden.

In Deutschland gilt die Baumarktkette “Hornbach” als Vorbild für gutes Content Marketing. Welche Unternehmen machen den besten Job in den USA?
Es gibt zwei Unternehmen, die herausstechen. John Deere, der auf Agrartechnik spezialisierte Maschinenbauer, startete sein Magazin "The Furrow" im Jahr 1897. Mittlerweile ist John Deere auch das größte Medienunternehmen im Agrarbereich. 
Direkt danach folgt wahrscheinlich Disney. Das Unternehmen nutzt Animationsfilme, um viel Aufmerksamkeit in einer großen Zielgruppe zu generieren. Diese Zielgruppe gibt unermesslich viel Geld für Besuche im Disneyland und Disney-Merchandise aus.

Was machen diese Unternehmen richtig gut?
Im Fall von John Deere ist das eindeutig: Das Unternehmen fokussiert sich auf eine sehr spezielle Zielgruppe und liefert auf einer speziellen Plattform über lange Zeit tolle Inhalte aus. Das half John Deere, ein Publikum aufzubauen, das eine enge Bindung zum Unternehmen hat und vor allem der Firma vertraut. Diese Stammkunden würden auch heute noch alles kaufen, was John Deere anbietet, weil das Vertrauen in diese Marke so stark ist.

Es gibt nicht diesen einen Weg, um gutes Content Marketing zu machen.

Sollte Content Marketing inhouse oder eher mit externer Unterstützung umgesetzt werden?
Es gibt nicht diesen einen Weg, um gutes Content Marketing zu machen. Die meisten Firmen, die ich kenne, nutzen sowohl interne als auch externe Ressourcen, um Content-Marketing-Projekte zu verwirklichen. Das Wichtigste ist aber: Die Strategie muss zum Unternehmen passen und nicht zu einer Agentur.

Was sind die häufigsten Fehler, die Unternehmen im Content-Marketing machen?
Dazu habe ich fünf Stichpunkte:

  • Sich auf mehrere Zielgruppen gleichzeitig konzentrieren
  • Sich auf ein inhaltliches Thema konzentrieren, in dem es zu viel Konkurrenz gibt, und keine Nische finden, in der man der beste ist
  • Inhalte zu Beginn auf zu vielen Kanälen zu verteilen
  • Den Inhalt nicht konstant bieten
  • Vergessen, den Inhalt an Opt-in-Anmeldungen zu orientieren

Welche Rolle sollte Native Advertising spielen? Sollte es mit der Zeit eingebaut werden oder für einen starken Start sorgen?
Native Advertising ist kein Content Marketing, es ist Werbung. Aber ja: Es kann in die inhaltlichen Aktivitäten eingebunden werden und beim Start helfen. Möglicherweise hilft es, die Zielgruppe zu überzeugen. Nicht nur von den Themen, sondern auch zum Schritt zu einem neuen Medium.

Finde ein einmaliges Thema, das deine Zielgruppe wirklich erreicht.

Wie schon besprochen: John Deere´s Furrow Magazin gilt als das beste Beispiel für Content Marketing. Das Magazin ist ein Evergreen - aber auch ein Print-Produkt. Wie übersetzt man es in die digitale Welt?
Es ist völlig egal, ob Print, Video, E-Mail oder Audio - die Methodik, mit der man eine aufmerksamkeitsstarke Reichweite aufbaut, ist immer gleich: Finde ein einmaliges Thema, das deine Zielgruppe wirklich erreicht, und dann musst du deine Leser, Zuhörer, Zuseher dauerhaft mit guten Inhalten versorgen.

Wenn eine Firma eine starkes Thema gefunden hat und mit den Aktivitäten startet - wie sieht eine gute Start-Strategie aus? Wie viel Budget fließt in die Distribution und wie viel in den kreierten Content?
Zu Beginn sollte etwa 75 Prozent des Gesamtbudgets in die Distribution fließen, der Rest in die Inhalte. Content Marketing bringt dir nichts, wenn niemand dein Produkt kennt. Sobald dein Produkt Aufmerksamkeit und Reichweite hat, kann mehr in Inhalte und weniger in Distribution fließen.

Ich frage mich oft: Wo finden Marken, die so viele gute Inhalte produzieren, ihre Inspiration. Wie managst Du Deinen Rundumblick?
Da gibt es viele Wege. Der allerwichtigste ist aber der, dass du mit deiner Zielgruppe kommunizierst, und das regelmäßig. Du musst wissen, was die Herausforderungen deiner Leser, Zuschauer und Zuhörer sind. Was hält sie über Nacht wach? Jeden Tag sollte man mit den Menschen, die man erreichen will, sprechen. Wenn das geschieht, werden einem niemals die Ideen ausgehen.

Content Marketing, das lernt man in einer Doku des CMI, ist viele hundert Jahre alt. Social Media nicht mal 20. Wie haben soziale Medien Content Marketing verändert?
Heutzutage hat jede Person in jeder Firma die Kraft, Reichweiten und Zielgruppen aufzubauen, weil die Technologie für jeden frei verfügbar ist. Social Media kann ein großartiger Helfer sein, um Reichweite aufzubauen und Inhalte zu verteilen. Aber du darfst eines nicht vergessen: Du hast keine volle Kontrolle über diese Reichweite. Jederzeit können YouTube und Facebook die Spielregeln verändern.

Was ist dein Lieblingskanal für Content-Marketing?
Ich werde immer ein Fan von Printprodukten sein. Aber die größte Chance, genau jetzt, ist Podcasting.

In Deutschland gibt es zurzeit eine große Podcast-Begeisterung. Wie bewertest Du die verschiedenen Formate grundsätzlich?
Bevor man ein Format wählt, sollte man sein Wunschpublikum von vorne bis hinten analysieren. Bei manchen Zielgruppen wird Print nicht funktionieren, bei anderen klappt Video nicht. Wichtig ist, das Format zu finden, das am besten zu deiner Zielgruppe passt. Der wichtigste von vielen Gründen, warum Audioformate immer beliebter werden, ist, dass es das einzige Medium ist, das Multitasking unterstützt. Dass hat Podcasting dem Printprodukt und dem Video voraus.

Growth Hacking ist ein starkes Schlagwort im Online Marketing geworden. Wie kann man Content Marketing growthhacken?
Ich bin kein Fan vom Growth Hacking. Es gaukelt einem vor, dass man mit Short-Cuts loyale Reichweiten aufbauen kann. Das geht aber nicht. Content Marketing ist hart. Es braucht Zeit und langwierige Konzentration.

Was war die schlaueste Idee, die Du jemals hattest?
Dass ich nicht zeitgleich für jedes Format Inhalte kreiere. Mache es einfach. Konzentriere dich auf eine Sache und mache die gut. Sobald du ein Publikum von dir überzeugt hast, kannst du dich einem anderen Thema widmen. Versuchst du alles auf einmal zu machen, scheiterst du normalerweise. 

Content-Frage

Deine Frage an Joe Pulizzi

Wir leiten die besten Fragen an Joe Pulizzi weiter. Die Antworten veröffentlichen wir anschließend hier unter dem Ursprungsartikel.

Ich erkläre meine Einwilligung zur Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung meiner personenbezogenen Daten gemäß der Datenschutzerklärung. *
In diesem Artikel
Hannes Hilbrecht

Hannes, Jahrgang 1993, gestaltet Content-Marketing-Projekte für die Digital-Agentur MANDARIN MEDIEN. Schrieb zuvor für Medien wie ZEIT ONLINE, den Berliner Tagesspiegel oder NDR.de. Ist nebenbei Fußballkolumnist. Erzählt jedem, den er trifft, dass er LeBron James interviewt hat. Für euch erreichbar unter: hannes.hilbrecht(ett)growsmarter.de

1 Kommentare
Kommentieren
Sebastian Beintker
01.10.2020
Danke Hannes für das schöne Interview.

Interessanterweise hatte ich heute erst wieder ein Gespräch über das Thema Audio und Content-Marketing. Ich selbst bin ein begeisterter Podcast-Hörer. Audio fetzt. Bei mir schon seit der Kindheit. Ich denke immer gern an meine ALF-Kassetten zurück.

Beste Grüße
Sebastian

Neuen Kommentar schreiben