Wie wir mit 19 Dollar unser Start-Up retteten
Online Marketing

Wie wir mit 19 Dollar unser Start-Up retteten

Mikael Chos Start-Up "Crew" stand kurz vor der Pleite. Eine Idee, 19 Dollar und ein Tumblr-Theme halfen bei der Rettung. Die unglaubliche Story erstmals auf Deutsch. 

von Mikael Cho
Mikael Cho im alten Crew-Büro in Montreal. © Crew Collective/Unsplashed

Wir hatten kein Geld. Wir wechselten unser Geschäftsmodell und hatten noch für drei Monate Budget. Drei Monate, um schwarze Zahlen zu schreiben, um erfolgreich zu sein. Scheitern wir, sind wir aufgeschmissen. Erledigt. Wir brauchten Kunden, aber keiner von uns wusste, wo diese sein sollen. Marketingbudget? Bitte. Wir hatten genug damit zu kämpfen, dass bei uns nicht die Lichter ausgehen.

Wir brauchten Wachstum.

Das ist die Situation von Crew Crew war ein Unternehmen, das Freelancer vermittelte. Seit Sommer dieses Jahres firmiert die Firma unter dem Namen Dribbble und konzentriert sich auf die Sparte "Design". Michael Cho leitet die Firma "Unsplash". im Sommer 2011. Wir wussten, dass wir wachsen mussten. Aber wir wussten nicht, wie das gehen soll. Wir hatten keinen Masterplan, nur Ansätze. Blogs, zum Beispiel.

Die Arbeit mit Blogs kann sehr effektiv sein. Aber oft dauert es Monate, ehe ein Blog positive Auswirkungen hat. Ein Produkt zu entwickeln, das so gut ist, dass es Mund-zu-Mund-Propaganda generiert, braucht seine Zeit. Manchmal Jahrzehnte.

Wir arbeiteten an all diesen Dingen, die Zeit brauchten, ohne Zeit zu haben. Wir benötigten beschleunigtes Wachstum. Und das ohne Werbebudget.

Eine unserer Optionen war unsere neue Homepage. An der arbeiteten wir mit Hochdruck. Zu dieser Zeit suchten wir auch Bildmaterial für die neue Präsenz. Dabei spürten wir, wie preisintensiv Fotos sind. Jede Option war entweder nicht gut genug oder zu teuer. Manchmal waren die Fotos sogar beides, schlecht und zu teuer.

Mit unserem letzten Budget heuerten wir einen Fotografen an. Er erstellte für uns ein Portfolio in einem Coffee Shop. Doch wir konnten von den vielen guten Aufnahmen nur ein Foto  für unsere Website verwenden. Wir hatten also viele Bilder, die gut waren, die wir bezahlt hatten, aber nicht nutzen konnten.

Das war der Zeitpunkt, an dem wir an unsere Probleme mit dem Bildmaterial dachten; die uns ja überhaupt dazu zwangen, mit einem teuren Fotografen zusammen zu arbeiten.  Wir beschlossen: Wir verschenken die für uns "nutzlosen" Bilder online. An alle, denen es genauso geht wie uns vor dem Fotografen-Termin.

Die Geburt von Unsplash

19 Dollar für ein Tumblr-Theme und drei Stunden später hatten wir eine Seite, die wir Unsplash nannten. Wir stellten die zehn besten Extra-Fotos von unserem Shooting online, versprachen, dass wir alle zehn Tage zehn neue Bilder ergänzen würden. Dann verlinkten wir unsere Crew-Webseite auf Unsplash.

Den Link teilte ich auf Hacker News, einer Website, in der die Mitglieder die besten Beiträge bewerten können. Die besten werden ganz nach oben gespült. Die Community von Hacker News, das muss man wissen, besteht aus Designern, Programmierern und jungen und kreativen Unternehmern. Eine Zielgruppe, die Unsplash möglicherweise gut findet. Was danach passierte, hat mich plattgemacht und uns alle umgehauen.

Ich dachte, wir bekommen vielleicht ein paar hundert Seitenbesucher durch den Link bei Hacker News. Deshalb habe mich nach meinem Post des Links gar nicht weiter damit beschäftigt.

Zehntausende Aufrufe in ein paar Stunden

Eine Mail von unserem Fotografen sorgte dafür, dass mein Kopf wieder bei Unsplash war. Er schrieb: "Kumpel, ich freue mich, dass euch meine Fotos gefallen. Ich weiß nicht, was ihr damit gemacht habt. Aber ich weiß, dass eine Menge Leute gerade auf meinem Portfolio sind."

Ich bin zurück zu Hacker News und checkte, was da vor sich geht.

Unsplash war binnen Minuten zur besten Empfehlung auf der Seite aufgestiegen. Hunderte User hatten uns sofort positiv bewertet, uns nach oben gebracht.

Diese Nutzer strömten von HackerNews zu Unsplash. 20.000 Seitenbesucher waren es, als ich den Traffic bemerkte. Zehn Minuten später waren es 50.000.

Die Reichweite von Unsplash schwappte zur Homepage von Crew über, die Spitze in unser Metric-Analyse wurde größer und größer. Eine große Zahl an Kunden kam. Und sehr viel positives Feedback, so viel wie noch nie. Keine unserer Werbeanzeigen und Blogposts war jemals so erfolgreich wie dieses 19 Dollar-Projekt. Auf Twitter teilten hunderte unsere Seite mit ihren Followern.

Michael Cho mit seiner Ehefrau und Crew-Mitgründerin Stephanie Liverani. © Stephanie Liverani

Ein Nachmittag für die Erfolgskampagne

Das alles resultierte aus einer Aktion, die nur einen Nachmittag brauchte, um sie zu erfinden und umzusetzen.

Es wirkte wie Magie. Wie zum Teufel konnte das passieren? So viel Interesse wie in den ersten Stunden von Unsplash hatten wir im ganzen letzten Jahr nicht für Crew erreicht. Schon einhundert Interessenten wären ein Erfolg gewesen. Wir hatten nicht einmal davon geträumt, so einen Impact zu erzielen.

An diesem Tag haben wir nicht nur erlebt, was es bedeutet, Benefits und Werte für eine große Zielgruppe zu kreieren. Wir haben verstanden, wie Marketing heutzutage funktionieren muss.

Nicht mehr den Hammer benutzen

Das beste Marketing ist, wenn niemand ahnt, dass es Marketing ist. Wir kennen es doch selbst: Wir hassen es, wenn wir mit Verkaufsgesprächen genervt werden. Ich lege den auch Hörer auf. So wie ist die meisten es tun.

Es ist nicht schlau, den Marketinghammer zu benutzen und den Kunden eine Verkaufsbotschaft einzuhämmern. Aber genau das ist meistens der Fall. Der Bestseller-Autor Jay Baer hat es in seinem Buch "Youtility" aufgeschrieben:
 

Durch die enormen Veränderungen in Technologie und Kundenverhalten, haben die Kunden einen neuen Anspruch: Marketing, das wirklich von Nutzen für sie ist.

Man muss den Lärm durchdringen

Netzwerke wie Facebook, Twitter und Instagram produzieren Feeds mit vielen Inhalten. Verschiedene Themen aus Arbeit, Leben und Familie sorgen dafür, unsere Feeds aus jedem Aspekt unseres täglichen Lebens bestehen. Das heißt aber auch: Die Botschaften deiner Firma werden zwischen die privaten Updates von Freunden und Familienmitgliedern eingespeist. Unternehmen stehen nicht mehr nur in Konkurrenz zu anderen Bewerbern mit anderen Werbebotschaften. Unternehmen stehen jetzt auch im Wettbewerb mit persönlichen Nachrichten von Eltern und Geschwistern. Durch diesen Lärm an Informationen dringt man nur durch, wenn ein Produkt durch Marketingmaßnahmen so nützlich erscheint, dass der Kunde gar nicht anders kann, als das Produkt zu kaufen.

Um Kunden und Fans zu gewinnen, müssen Unternehmen einen Wert für die Menschen kreieren. Heutzutage ist das viel wichtiger und bedeutender als es viele Marketer verstehen. Erst wenn du einen sichtbaren Wert für die Kunden erzeugst, werden sie dich beachten.

Ähnliches fand eine Studie der Universität Pennsylvania heraus. Die Hochschule untersuchte die Artikel der New York Times, die am meisten per E-Mail an Freunde und Verwandte weitergeleitet wurden. Das waren nicht die überraschendsten und interessantesten Stories. Es waren Geschichten, die die Menschen direkt betrafen.

Das gilt auch für das Marketing: Man muss den Kunden etwas Nutzvolles geben, was sie für ihre eigenes Leben anwenden können, was einen Wert für ihre Arbeits- oder Privatleben hat. Nur das hat den größtmöglichen Einfluss.

Dieser Text wurde übersetzt von Hannes Hilbrecht.

In diesem Artikel
Mikael Cho

Ist der CEO des Bildimperiums Unsplash mit 6 Milliarden Bildaufrufen pro Monat. Gründete zuvor das Start-Up "Crew", das vor kurzem an "Dribble" verkauft wurde. Twittert unter @mikaelcho.

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