#ÜberTalent: Völlig überbewertet

Wie definiere ich Talent:
Vielleicht setze ich mich jetzt mitten hinein in die Nesseln – aber ich bin mittlerweile überzeugt: Talent ist völlig überbewertet. Waren wir früher überzeugt, dass Talent angeboren ist, wissen wir heute, dass "Talent" aus Disziplin und Übung entstehen kann. Kevin Friedersdorf ging in seinem Artikel "Sie leben eine Profession" bereits auf die 10.000-Stunden-Regel ein.
Natürlich gibt es auch genetische Prädispositionen. Ein entsprechender Körperbau ist zweifelsohne für bestimmte sportliche Leistungen förderlich. Wenn ich sportliches Talent hier jedoch völlig ausklammere, dann sind die meisten Gehirne in der Lage, annähernd alles zu lernen, was menschenmöglich ist. Herausragende Performance hat in meiner Erfahrung grundsätzlich mehr mit Disziplin, Beharrlichkeit und Motivation zu tun als mit Talent.
"Talent" setzen wir im Sprachgebrauch mit außergewöhnlicher Leistung gleich. Diese wird meines Erachtens in den meisten Fällen eher durch die eigenen Glaubenssätze limitiert – oder auch gefördert. Erzählt man einem Kind beispielsweise häufig genug, dass es irgendetwas kann oder nicht kann, wird es wahrscheinlich mit genau diesem Bewusstsein aufwachsen. Das Gehirn bildet Muster und Überzeugungen, die sich bis ins Erwachsenenleben und -denken fortsetzen.
Mir hingegen gefällt dieser Gedanke unheimlich gut, dass wir (fast…) alle die Fähigkeiten haben, um das zu sein, was wir sein wollen. Das bedeutet echte Freiheit von den Grenzen im eigenen Kopf und Freiheit für selbstbestimmte Entscheidungen.
Wie finde ich Talent:
Ich suche für mein Unternehmen nicht nach "Talenten". Ich suche nach "Passung". Menschen, deren Persönlichkeiten mit all ihren Wünschen und eigenen Zielen zu unserem kleinen Team passen, sind genau die Richtigen für uns.
Im Silicon Valley habe ich den Satz gelernt: "Hire for attitude – train for skills!". Genau danach gehe ich – in gemeinsamer Entscheidung mit meinem Team. Wir setzen uns zusammen und entwerfen eine Persona mit Eigenschaften, die wir uns für eine bestimmte Position vorstellen. Auf unser letztes Stellengesuch haben wir unfassbar viele interessante Bewerbungen bekommen und sind immer noch im Auswahlprozess. Wir lassen uns Zeit, die vielversprechendsten Bewerber kennenzulernen.
Wir planen einen ganztägigen Workshop mit den Kandidaten. Im Gegensatz zu einem Assessment wollen wir hier niemanden "beobachten und bewerten", sondern uns allen die Chance geben, uns gegenseitig kennenzulernen – und zwar außerhalb der etwas seltsamen Vertriebssituation eines Einstellungsgesprächs. Passung geht immer von beiden Seiten aus.
Wie binde ich Talent:
Wir sind Anbieter von innovativen Weiterbildungskonzepten und Führungskräftetrainings. Und wir leben, was wir predigen: Menschen erblühen, wenn sie sich persönlich weiterentwickeln und die Chance haben, "etwas Übergeordnetes" mitzugestalten. Ich suche gezielt nach Menschen, die in irgendetwas besser sind als ich und dann lasse ich sie machen. Das Schlagwort hier ist wohl "Selbstverwirklichung". Das ist ein Riesenmotivator.
Wie fördere ich Talent:
Ich gucke nach Potenzialen und versuche zu erkennen, was aus meinen Mitarbeitern werden könnte. Ich frage mich, was noch in ihnen steckt und was sie motiviert, ihre Komfortzone zu verlassen und zu wachsen. Dabei denke ich gerne schon gleich "etwas größer", das gebe ich zu.
Individuelle Weiterbildungen oder auch ein "Team-Ausflug" machen nicht nur allen Spaß, sondern sie geben die Möglichkeit, über den Tellerrand zu gucken. Wir möchten so neue Ideen entwickeln und uns gegenseitig die Bälle zuwerfen. Wir fragen uns gemeinsam, was man aus unseren frischen Erkenntnissen für Innovationen entwickeln könnte. Bei uns im Büro gibt es natürlich auch ein Bücherregal, das tolle "Ausleih-Lektüre" bereithält. Jeder bekommt individuell, was er braucht und möchte.
Mein größtes Talent:
Keine einfache Frage. Vielleicht ist es, dass ich voller Vertrauen mit Menschen umgehe und an sie glaube. Damit gehe ich quasi in eine "Vertrauens-Vorleistung". Es ist mir zu kompliziert, misstrauisch zu sein oder nach Beweisen für einen guten Charakter zu suchen. Zuerst gehe ich einfach von einem gutem Charakter, Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit bei Menschen aus, die ich treffe. Klar, das geht auch manchmal schief und ich bin sehr enttäuscht. Aber meistens geht es gut. Es ist sowas wie eine selbsterfüllende Prophezeiung. Ich habe eine zutiefst humanistische Einstellung und bin überzeugt, dass hinter fast jedem Verhalten eine gute Absicht steckt. Ich mag Menschen wirklich.
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