Die Power von Nebenprojekten
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Die Power von Nebenprojekten

Mikael Cho rettete mit 19 Dollar sein Start-Up "Crew". Das Heilmittel: Ein Nebenprojekt. Der Erfolgsunternehmer über die Power dieser Marketingmaßnahme.

von Mikael Cho
Mikael Cho mit Mitgründerin Stephanie Liverani. © Photo by Stephanie Liverani on Unsplash

Nebenprojekte besitzen einen schlechten Ruf. Nehmen wir nur zwei typische Fragen von Unternehmern: "Lassen sie uns abgelenkt aussehen?" Und: "Sind sie die Zeit überhaupt wert, wo wir doch jetzt schon busy sind?" Dieses Denken müssen wir ändern. Und dafür müssen wir unsere Definition eines Nebenprojekts überdenken.

Wir sind es gewohnt, alles als Nebenprojekt zu bezeichnen, das außerhalb unseres Hauptgeschäfts liegt – außerhalb unseres Fokus. Dabei ist alles, was zur Wertschöpfung des Unternehmens beiträgt, nichts anderes als das: die Arbeit an einem wertschöpfenden Projekt.

Nur weil ein Projekt beispielsweise eine Website oder eine App ist, für die wir Code schreiben müssen anstatt an unserem echten Kernprodukt zu arbeiten, neigen wir dazu, es als Nebenbei-Sache zu degradieren. Doch nicht immer entspricht das auch der Wahrheit. Genau diese Website oder App könnte eine anspruchsvolle und wichtige Marketingmaßnahme für das Unternehmen sein. Und es ist in Wahrheit sogar riskant, sie als Nebensache abzuwerten – erst recht, bevor wir das Ziel dahinter verstanden haben.

Beschleunigte Bekanntheit

In der Freelancer-Welt arbeiten viele Fachleute für Kunden und haben zusätzlich noch eigene Projekte – oft, um damit eine persönliche Marke aufzubauen.

Die Designerin Jessica Hische zum Beispiel. Inzwischen hat sie für viele bekannte Unternehmen wie MailChimp oder Pinterest gearbeitet. Aber als sie anfing, musste auch sie ihre ersten Kunden erst einmal finden. Um sich aus der Masse hervorzuheben, arbeitete Jessica schon früh an Nebenprojekten, die Jessicas Fähigkeiten als Illustratorin zeigten. Über ihr erstes eigenes Projekt schreibt sie auf ihrer Portfolio-Seite, dass es einfach nur toll aussah und ihr das mächtig Starthilfe für ihre Karriere gegeben hat. Seitdem haben eigene Projekte einen festen Platz in Jessicas Arbeitsleben: "Ich nutze Nebenprojekte, um die Teile meines Gehirns zu trainieren, die ich bei meiner Arbeit für Kunden nicht einsetzen kann. Und ich hatte schon viel Spaß dabei, lustige Sachen für andere Designer zu machen." Diese Nebenprojekte verbesserten die Qualität von Jessicas Arbeiten. Sie erhöhten aber auch ihre Bekanntheit in der Design-Community und halfen ihr, tolle Kunden zu gewinnen.

Ein Beispiel von Jessica´s Nebenprojekten: die Mindmap "Soll ich für umsonst arbeiten?" © Jessica Hische - shouldiworkforfree.com

Der ROI von Nebenprojekten

Auch als noch niemand unsere Firma "Crew" kannte, mussten wir einen Weg finden, schnell an Kunden zu kommen. Da wir ein Technologie-Startup sind und Startups immer an ihrem Wachstum gemessen werden, mussten wir besonders rasch wachsen. Wir dachten, Tools zu bauen wäre ein Weg, das zu erreichen. Die psychologischen Vorteile von Nebenprojekten, dass sie die Zusammenarbeit und allgemein die Ideenfindung verbessern, sind ja bekannt. Aber es gibt auch einen messbaren Impact.

In den ersten anderthalb Jahren von Crew haben wir vier Projekte durchgeführt, die von unseren Kernaufgaben klar getrennt waren:

1. Unsplash

Unsplash war zum Start eine Website, die alle zehn Tage zehn kostenlose hochauflösende Fotos anbot.
Ergebnisse: 5 Millionen Einzelbesucher/ #1 Empfehlungsquelle für Crew.
Ein wichtiger Bestandteil unserer Mitgliederbasis bei Crew sind Webdesigner und -entwickler. Viele, die sich für Crew angemeldet haben, sind direkt von Unsplash gekommen. Diese Designer und Entwickler verwenden auch viele der Unsplash-Fotos für ihre Arbeit.

2. Launch This Year

Launch This Year ist eine Sammlung von wöchentlichen Lektionen, wie man ein Business aufbaut – handverlesen von Profis aus der Werbebranche.
Ergebnisse: Erwähnungen in VentureBeat, Digital Trends, Lifehacker und Tech Vibes/ Mehr als 20.000 E-Mail-Abonnenten.

3. How Much To Make An App

How Much To Make An App ist eine Website, die dabei hilft, die Kosten für eine App-Idee in weniger als einer Minute zu schätzen.
Ergebnisse: 1 Million Einzelbesucher/ #2 Empfehlungsquelle für Crew

4. Moodboard

Moodboard ist eine Website, die es ermöglicht, Ideen für das Webdesign mit einem Link zu teilen. Es ist kein Konto erforderlich.
Ergebnisse: #5 Empfehlungsquelle für Crew

Gesamtergebnisse der Nebenprojekte:

3 der 5 besten Seiten, die auf Crew verweisen. Mehr als 100.000 E-Mail-Abonnenten und 40% unseres Umsatzes.

Nebenprojekte: Effizienter als Bloggen

Wenn wir die Daten aus diesen Projekten mit denen unseres Blogs #3 Empfehlungsquelle für Crew | 50.000 einzelne Besucher/Monat | Mehr als 3.600 E-Mail-Abonnenten vergleichen, ist die Schlussfolgerung klar: Unsere Nebenprojekte hatten sehr viel größeren Erfolg, unsere Audience aufzubauen.

Obwohl unser Blog gut funktioniert und die #3 Empfehlungsquelle für Crew ist, haben wir über ein Jahr und 85 Beiträge benötigt, um dieses Level zu erreichen. Die oben genannten Projekte haben mehr als das 25-fache an Abonnenten mit weniger Zeitaufwand generiert.

Ein Tool zu entwickeln benötigt oft weniger Zeit als das Schreiben von Blogs, kann aber einen viel größeren Einfluss haben - also genau das, was man sucht, wenn man schnell wachsen muss. Zugegeben: Schreiben ist für viel mehr wichtig als nur für die Gewinnung neuer Kunden und E-Mail-Abonnenten. Es geht auch darum, Vertrauen und eine Verbindung zu den Menschen aufzubauen, die das eigenen Produkt eines Tages benutzen könnten. Aber ein Tool hat den gleichen Effekt, nur mit einer höheren Geschwindigkeit.

Nebenprojekte haben eine längere Haltbarkeit

Es ist viel wahrscheinlicher, ein gutes Tool oft zu verwenden als einen guten Blogbeitrag oft zu lesen, oder? Dieser wiederkehrende Nutzen macht Softwareprodukte als Marketinginstrumente so wertvoll. Die Leute kommen immer wieder zurück, obwohl man keine zusätzliche Arbeit mehr reinsteckt. Das ist es, was bei vielen unserer Projekte passiert.

Für einen Blog müssen kontinuierlich Inhalte auf hohem Niveau produziert werden, um die Besucher zu überzeugen. Das ist möglich, aber es dauert halt länger. Auch wir schreiben immer noch unseren Blog. Aber sobald wir das Gefühl haben, dass wir einen Schritt weiter gehen können, denken wir in anderen Dimensionen.

4 weitere Vorteile von Nebenprojekten

1. Recruiting:

Wir hatten nicht erwartet, dass diese Projekte beim Thema Recuiting helfen könnten. Doch wir stellten fest, dass viele Bewerber durch unsere Tools auf uns aufmerksam wurden. Wir bekommen alleine durch Unsplash 50 Bewerber pro Woche. Fast die Hälfte des aktuellen Crew-Teams sagte, dass sie uns wegen eines der Nebenprojekte gefunden haben.

2. Inspiriert zu einer "Level up"-Mentalität

Der Erfolg dieser Projekte inspiriert uns zu weiteren Ideen. Wir fragen uns, wie wir andere Bereiche innerhalb unseres Unternehmen besser gestalten können. Zum Beispiel: "Wie können wir den Kundensupport oder unseren Einstellungsprozess auf ein höheres Level heben?" Die Folge sind neue Projekte, aber vor allem eine neue Mentalität. Wir fragen uns nicht mehr nur, was in der Vergangenheit funktioniert hat. Sondern auch, was künftig anders funktionieren könnte.

3. Testen, ohne das Angebot zu verwässern

Viele unserer Nebenprojekte waren ursprünglich potenzielle Funktionen, die wir in Crew integrieren wollten. Indem wir sie auf separaten Websites veröffentlichten, konnten wir diese Funktionen in Ruhe testen, ohne unser Kernangebot zu verwässern.

4. Mehr Möglichkeiten für den Presse- und Such-Traffic

Mit einem Tool auf einer separaten Website steigt die Aufmerksamkeit. Es gibt einfach mehr Möglichkeiten für die Berichterstattung in der Presse oder eine Erwähnung in Foren wie HackerNews. Die Leute erinnern sich an den Projektnamen Unsplash oder suchen nach Stichworten wie "Wie viel kostet eine App", ohne sich an eine Domain wie "free-photos.pickcrew.com" oder "howmuchtomakeanapp.pickcrew.com" erinnern zu müssen.

Sogar ein SEO-Plus

Da es einfacher ist, sich den Namen zu merken, kommen immer mehr Menschen wieder zurück. Auch die Mundpropaganda verbreitet sich schneller. Es gibt aber auch Möglichkeiten, auf die eigene Domain zurück zu verlinken, um Referral-Traffic zu erzeugen. Normalerweise beginnen wir mit dem Hinweis: "Made by Crew". Das ist oft der simpelste Trick. Wegen des hohen Traffics sind Tools auch hervorragend dazu geeignet, den Kampf um Suchmaschinen-Keywords zu gewinnen. Mit dem richtigen Tool kann ein Blog-Post schnell im Ranking steigen und damit auch das Tool selbst auf die erste Seite der Suchergebnisse kommen. Das ist genau das, was mit "How Much To Make An App" passiert ist. Es dauerte nur wenige Wochen, bis unser Tool auf der ersten Seite bei Google für den stark umkämpften Keyword-Satz "How much does an app cost" platziert wurde.

Hinweis:
Aus "Crew" ist mittlerweile "Dribble" geworden. Der erste Teil der "Doppel-Story" von Mikael Cho ist bereits auf GrowSmarter.de erschienen. Jetzt lesen.

Der Text wurde erstmals 2014 veröffentlicht und erscheint hier auf growsmarter.de erstmals auf Deutsch.

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In diesem Artikel
Mikael Cho

Ist der CEO des Bildimperiums Unsplash mit 6 Milliarden Bildaufrufen pro Monat. Gründete zuvor das Start-Up "Crew", das vor kurzem an "Dribble" verkauft wurde. Twittert unter @mikaelcho.

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