Scheitern als Chance begreifen
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Scheitern als Chance begreifen

Prof. Dr. Christian Stummeyer ist Professor für Digital Commerce in Ingolstadt, erfahrener Unternehmensberater und erfolgreicher Gründer. Kurz vor seiner Gastprofessur in China verrät er GrowSmarter seine "3 Learnings".

von Christian Stummeyer
© Christian Stummeyer

1. Binde Dein Team und Deine Mitarbeiter stets ein

Im Jahr 1998 habe ich ein Unternehmen beratend begleitet, das in der Produktion effizienter arbeiten wollte. Vereinfacht gesagt ging es darum, die Menge an Vorprodukten in der Werkshalle zu senken. Berechnungen und Simulationen ergaben, dass die Produktion mit einem Produktionsvorrat von einer halben Palette Material vor jeder Maschine in der Halle effizienter ablaufen würde als mit zwei Paletten – hierdurch waren zum Teil Logistikwege verstellt und es war eng.
 
In der Theorie funktionierte alles wunderbar. Das Problem war: Das Ergebnis war in der Realität ein anderes. Die Effizienz der Produktion sank nach der Optimierung, und das deutlich.
 
Was sich herausstellte: Die zwei Paletten Arbeitsvorrat vor jeder Maschine hatten die Mitarbeiter in der Produktion extrem motiviert. Sie schlossen aus der Menge an Arbeit vor den Maschinen auf die generelle Auftragslage des Unternehmens. Als plötzlich nur noch durchschnittlich eine halbe Palette bereitstand, befürchteten sie, dass die Auftragslage schlecht wäre und ihnen – wie schon Jahre zuvor – Kurzarbeit drohe. Deshalb sank die Arbeitsleistung in der Produktion beträchtlich. Sie dachten: Wenn wir die Arbeit nicht schaffen, gibt es auch keine Kurzarbeit.
 
Aus diesem Beispiel habe ich gelernt, wie wichtig es ist, jeden Mitarbeiter auf jeder Ebene offen und transparent zu informieren. Veränderungen, Entscheidungen und Ziele müssen verständlich erklärt werden. Bei Veränderung müssen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Reise mitgenommen werden – von der Führungsetage bis in die Produktion.
 
Key-Learning: Beziehe Deine Mitarbeiter in jede Veränderung mit ein!

2. Starte früher und investiere nicht zu viel in Marktforschung

Vor ein paar Jahren haben zwei sehr clevere Entrepreneure ein spannendes Unternehmen gegründet. Sie arbeiteten schon bei einer namhaften Strategieberatung zusammen und besaßen auch bereits Erfahrung aus erfolgreichen Gründungen, hatten das nötige Know-How und ganz wichtig: sie hatten eine wirklich gute Idee.
 
Bevor sie ihr Produkt entwickelten – es ging um eine Plattform für Personalvermittlung in einem Nischenbereich – führten sie eine intensive Marktforschung auf Anbieter- und Abnehmerseite durch – wie aus dem Lehrbuch. Die Forschung verlief vielversprechend. Das Interesse war auf beiden Marktseiten groß. 
 
Auch ich fand die Idee großartig und stieß zum Team dazu. Wir entwickelten nun gemeinsam das “Minimum Viable Product” (MVP) und gingen an den Markt – mit großen Erwartungen. Auf Abnehmerseite erfüllten sich die Prognosen auch. Deutsche Top-Unternehmen waren bereit, für die angebotene Dienstleistung viel Geld zu bezahlen. 
 
Nur: Wir haben es nicht geschafft, das nötige Angebot auf die Plattform zu bringen. Die Plattform performte nicht. Sie kam nicht ins Fliegen. Man kann sagen: Sie floppte. Denn auf die theoretische Marktforschungsfrage, ob sie denn mitmachen würden, haben die Anbieter begeistert „ja“ gesagt – in der Realität hatten Sie dann aber doch keinen ausreichenden Anreiz und zeigten kein Engagement. 
 
Ich jedenfalls habe daraus gelernt, dass es am besten ist, vermeintlich gute Ideen schnell in der Praxis zu testen. Selbst wenn sie nicht aufgehen, spart das früh viele Ressourcen.
 
Key-Learning: Try and fail! Mache nicht zu viel Marktforschung, sondern probiere es am Markt direkt aus. Und wenn Du schon scheiterst, scheitere möglichst früh, lerne daraus und dann geht’s weiter.

3. Vergiss das Messen nicht

Es wird vielleicht überraschen: Aber es gibt immer noch mittelständische Unternehmen, die monatlich fünfstellige Summen in das Online Marketing investieren, ohne sich klare Ziele zu setzen und die Wirksamkeit zu messen. Heißt: Diese Unternehmen tracken nicht, welches Spending wirkt und welches verpufft. 
 
Das macht es natürlich unmöglich, die Maßnahmen zu optimieren oder starke Kanäle zu priorisieren. Diese Unternehmen befinden sich sozusagen im Blindflug. Nach wie vor eine Realität im deutschen Mittelstand.
 
Natürlich birgt das Tracking auch Probleme. Der Datenschutz ist komplexer und wichtiger geworden. Und häufig sind die Zahlen nicht verlässlich. Ich erinnere nur an das fragwürdige Attributionsmodell “Last-Cookies-Wins”. Durch unpassende Annahmen ist eine effiziente Account-Steuerung teilweise nicht möglich.
 
Was ich aus dem Kontakt mit vielen Firmen und jahrelanger Erfahrung gelernt habe: Online-Marketing macht nur Sinn, wenn es klare Ziele gibt und diese auch gemessen werden können.
 
Key-Learning: Das Messen Deiner Marketing-Maßnahmen ist wichtiger als das Budget. Setze Dir Ziele und messe konsequent, ob Du sie erreichst. 

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Christian Stummeyer

Christian Stummeyer ist Professor für Wirtschaftsinformatik und Digital Commerce an der Technischen Hochschule Ingolstadt. Als freier Unternehmensberater und Mitglied im Münchner Kreis zählt er zu den Top-Experten der digitalen Wirtschaft. Zuvor war er für die Boston Consulting Group, im internationalen Führungskreis der Siemens AG und als Geschäftsführer einer Digitalagentur tätig. 

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