advocado - Content Marketing ist langlebiger als Werbeanzeigen
Hi Max, zusammen mit Deinem Kumpan Jacob hast Du advocado gegründet, eine Online-Plattform für Rechtsberatung. Aber warum ausgerechnet in Greifswald?
Ich stamme gebürtig aus Brandenburg, habe aber familiäre Wurzeln in der Region und in Greifswald Jura studiert. Für einen Business-Plan-Wettbewerb entwickelte ich die Idee zu advocado und belegte damit den zweiten Platz. Jacob, mein Mitgründer, nahm als BWLer ebenfalls an dem Wettbewerb teil und wurde Dritter. Als wir anschließend in einer Kneipe über unsere Ideen sprachen, wurden wir uns schnell einig, dass advocado sehr erfolgreich werden könnte. Für uns als Unternehmer – aber vor allem für unsere künftigen Nutzer. Wir wussten schon damals: Mit unserer Lösung werden wir die Welt besser machen.
Wie macht Ihr diese Welt besser?
Die Hemmschwelle, einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen, ist für viele Menschen groß. Der gesamte Prozess ist nicht transparent. Zum einen kommt es also vor, dass man einen Rechtsanwalt beauftragt und viel Geld bezahlt, obwohl das Problem mit einem Satz zu klären wäre. Zum anderen haben bereits 71 Prozent der Deutschen auf juristische Hilfe verzichtet, vor allem aus Angst vor zu hohen Kosten. advocado baut diese Schranken im Kopf ab und hilft damit vielen Menschen zu ihrem Recht.
Wie wirkt advocado genau gegen diese Unsicherheit?
Bei advocado bekommt jeder Rechtsuchende zunächst eine kostenfreie Ersteinschätzung, in der ein Anwalt ihn über seine rechtlichen Möglichkeiten, die damit verbundenen Risiken und Kosten aufklärt. Anschließend bekommt der Mandant ein Festpreisangebot zur Abwicklung seines Falles. Die gesamte Mandatsbetreuung findet über advocado vollkommen digitalisiert statt und ist damit zeit- und ortsunabhängig.
Wie läuft dieser Prozess konkret ab?
Der Rechtsuchende schildert seine Situation oder Frage, kann dafür notwendige Dokumente hochladen und gibt an, wann er für den Anwalt am besten für eine erste Einschätzung zu erreichen ist. Aus den persönlichen Daten wie der Adresse und den geschilderten Details sowie den von uns selbst ermittelten Performance-Daten der Anwälte findet unser Algorithmus den idealen Ansprechpartner aus unserem Netzwerk, das aktuell etwa 350 Kanzleien umfasst. Der Rechtsuchende bekommt innerhalb weniger Stunden eine erste Falleinschätzung, die entweder das Problem direkt löst, oder klar die Kosten, Chancen und Risiken für das Mandat aufzeigt. Er hat dann die freie Wahl, ob er zu diesen festen Konditionen einen Rechtsbeistand beauftragen will oder nicht. Bis zu diesem Zeitpunkt fallen keinerlei Kosten an.
Wir gehen davon aus, dass in fünf Jahren niemand mehr persönlich zu einem Anwalt gehen muss.
Wo siehst Du das meiste Optimierungs-Potenzial?
Wir wollen die Suche nach Anwälten ortsunabhängig machen und damit ein neues Denken einleiten. Die Menschen sollen nicht mehr den nächstgelegenen Anwalt suchen, sondern denjenigen, der für ihren speziellen Fall der geeignetste ist. Wir gehen davon aus, dass in fünf Jahren niemand mehr persönlich zu einem Anwalt gehen muss.
Machen die Menschen da überhaupt mit?
Ja und es werden immer mehr. In Zahlen haben wir seit unserem Roll-Out im Sommer 2017 bis heute bereits mehr als 25.000 Mandanten mit ihren Anfragen registriert und betreut. Die grundsätzliche Bereitschaft, den Anwalt oder die Anwältin überregional zu wählen, ist vorhanden.
Der Kampf um die Talente ist bei uns nicht so hart wie in den Großstädten.
Wir waren eingangs bei Greifswald, Start-Up, Nordosten. Warum ist die Stadt für Euch schicker als Berlin?
Weil wir viele Vorteile genießen. Zum Beispiel, die geringeren Bürokosten. Zu unserem Start hat uns die Stadt und das Bundesland sehr unterstützt. Sechs Monate lang konnten wir kostenlos eine moderne Bürofläche nutzen. Das hat uns finanziell mehr Raum gegeben. Dazu kommt die Universität, die uns nicht nur über ihren Ideenwettbewerb als Team zusammengeführt hat, sondern uns insbesondere junge und motivierte Fachkräfte bietet. In sämtlichen Bereichen konnten wir freie Arbeitsplätze und Werkstudenten-Stellen total unkompliziert besetzen. Der Kampf um die Talente ist bei uns nicht so hart wie in den Großstädten.
Es gibt einige smarte Tech-Firmen in Mecklenburg-Vorpommern. Aber ein Netzwerk wie in Berlin, München und Hamburg gibt es natürlich nicht. Aber: Wenn man in Berlin netzwerken will, kann man einfach innerhalb von zwei Stunden hinfahren oder digitale Lösungen wie LinkedIn nutzen. So konnten wir uns auch in der Hauptstadt bereits einen Namen machen und unser Netzwerk stark ausbauen.
Lass uns über Online Marketing reden. Denn eine einfache Suche im Web verrät: Konkurrenzlos seid ihr sicher nicht.
Das ist richtig. Der Markt ist umkämpft. Allerdings gibt es auch sehr viele nicht qualifizierte Angebote. Hier setzen wir einen Akzent.
Jemand, der Hilfe braucht, der ein Rechtsproblem oder eine Frage hat, nutzt zuerst Google.
Läuft das nur über Suchmaschinen-Marketing?
Zu einem großen Teil ist unser Traffic organisch. Wir haben unsere Zielgruppe früh intensiv beleuchtet und Personas entwickelt. Uns war von Beginn an klar: Jemand, der Hilfe braucht, der ein Rechtsproblem oder eine Frage hat, nutzt zuerst Google. Und hier wollen wir mit unseren potenziellen Nutzern zusammentreffen. Weitere Kanäle sind zum Beispiel Empfehlungen und wiederkehrende Mandanten.
Wo liegt Eure größte Stärke im Marketing?
Wir haben ein Produkt, das gut ankommt und uns die Vermarktung leicht macht. Das einzige, wofür wir sorgen müssen, ist, dass wir gefunden werden. Das schaffen wir über SEA, SEO, Empfehlungen, wiederkehrende Mandanten und vor allem über ansprechenden Content. Wir haben frühzeitig erkannt, dass Content Marketing der für uns spannendste Kanal ist. Unsere Stärke ist, dass wir komplizierte Rechtstexte für Laien lesbar, verständlich und vor allem hilfreich machen. Übrigens profitieren wir auch hier von der Universität in Greifswald. Wir konnten gute Redakteure für uns gewinnen, die großartige Texte schreiben.
Wie ermittelt ihr die Themen, über die schreibt?
Wir analysieren, welche Probleme die Menschen heute und in Zukunft bewegen und was für Fragen sie haben. Das gelingt mithilfe des Feedbacks von unseren Anwälten und Auswertungen der gestellten Rechtsfragen. Dann schneiden wir unsere Ratgebertexte genau auf die Informationsbedürfnisse der Rechtsuchenden zu.
Schreiben bei euch Juristen oder eher Redakteure ohne Fachhintergrund unter der Anleitung eines Experten?
Da wir Content für Laien produzieren, wird unser Ratgeber von speziell geschulten Redakteuren verfasst. Vor der Veröffentlichung findet eine juristische Prüfung der Texte statt. Damit ist gewährleistet, dass kein unverständlicher Fachjargon den Leser verwirrt.
Podcast sind der hippste Schrei im Content Marketing. Macht ihr auch schon Audio?
Nein. Selbstverständlich behalten wir solche Marktveränderungen im Auge, wir reagieren aber nur darauf, wenn sie für uns sinnvoll erscheinen.
Man muss Zeit und Arbeit investieren – aber das zahlt sich aus, wenn man es gut macht.
Nun ist der Erfolg von Content Marketing nicht immer planbar. Wie viel Ressourcen steckt ihr in diesen Bereich?
Die meisten Ressourcen stecken wir in die Weiterentwicklung unseres Produkts. Aber ein signifikanter Anteil fließt natürlich auch in unsere juristische Redaktion. Wir haben festgestellt, dass sich die langfristigen Bemühungen lohnen. Man muss Zeit und Arbeit investieren – aber das zahlt sich aus, wenn man es gut macht.
Es wirkt auf jeden Fall seriöser als die ominösen Werbeanzeigen aus "Better Call Saul".
Das auch. Außerdem ist Content-Marketing im Vergleich zu Werbeanzeigen sehr langlebig. Sind die Inhalte erstmal produziert, können sie in vielen Themenbereichen lange genutzt werden. Bei Maßnahmen wie Google AdWords ist das anders. Da muss man immer wieder frische Mittel reinpumpen, um vorne zu bleiben.
Wie hoch ist eigentlich eure Conversion-Rate bei den kostenfreien Anfragen?
Ich möchte lieber sagen, wie viele Anfragen wir schon hatten: Das sind, wie gesagt, etwa 25.000. Diese Personen stellten uns für sie elementar wichtige Fragen – und haben risikolos eine fundierte und hilfreiche Ersteinschätzung bekommen. Das zeigt: Die Menschen vertrauen uns. Empfehlen uns weiter. Treten über die große Schwelle.
Müsst Ihr eigentlich auch um Kanzleien werben?
Wir haben selbstverständlich auch einen Vertrieb und müssen uns um das Onboarding von Anwälten kümmern. Mittlerweile kommen die Kanzleien eher zu uns, als dass wir bei ihnen klopfen. Unsere Software ist ja nicht nur ein Akquise-Kanal für Mandate, sondern digitalisiert auch wesentliche Geschäftsprozesse. Wir verbessern den Service von Kanzleien und wickeln die Bezahlung und andere bürokratische Kosten über unser System online ab.
Wie sieht es eigentlich B2B aus? Ist der Markt für Geschäftskunden nicht größer und attraktiver?
Man muss verstehen: Es gibt signifikante Unterschiede in den Bedürfnissen. Ein Geschäftskunde braucht ein anderes Produkt als unser privater Nutzer. Langfristig wollen wir für Business-Kunden eine digitale Rechtsabteilung schaffen, die schnell, effizient und umfassend Rechtshilfen bereitstellt.
Ich muss jetzt mal ganz ketzerisch fragen: Wer mag euch eigentlich nicht?
Grundsätzlich haben wir keine "Gegner". Schließlich möchten wir, dass alle Seiten profitieren. Allerdings bringen wir durch unsere Lösung Licht ins Dunkel und verändern den Markt. Da gibt es neue Gewinner und Verlierer. Denjenigen, die bislang vom intransparenten Geschäft profitieren, passt das natürlich nicht.
Hast Du ein konkretes Beispiel?
Viele Rechtsschutzversicherer kalkulieren damit, dass viele Menschen trotz entsprechender Versicherung auf einen Anwalt verzichten, weil sie befürchten, dass der Rechtsschutz in ihrem speziellen Fall nicht greift. Wir können in unserer kostenfreien Ersteinschätzung auch diese Angst nehmen.
Wenn Du auf Eure Gründung zurückblickst: Welche Handgriffe waren besonders smart?
Zu Beginn war das sicherlich die kostenfreie Ersteinschätzung. Weil sie den Menschen wirklich hilft und ein echter Nutzen ist, also gutes und wichtiges Marketing. Auch profitieren davon nicht nur wir als Anbieter und Mediator, der Mandant und Anwalt zusammenbringt. Auch die Kanzleien können sich durch ihre Erstberatung positiv darstellen und den eigenen Brand durch eine detaillierte Antwort verbessern.
Und rein technisch: Was hat Eure Software effizienter gemacht?
Zum einen die Arbeit des Anwalts, der schneller sowie zeit- und ortsunabhängig Mandanten betreuen kann. Zum anderen den Weg eines Rechtsuchenden zum passenden Anwalt. Dabei nehmen wir den Nutzer noch mehr an die Hand und zeigen ihm direkt den von uns ermittelten, bestmöglichen Rechtsbeistand. So ersparen wir ihnen wertvolle Zeit und Nerven bei der komplizierten Suche nach rechtlicher Hilfe. Und das wollen wir ja sein: Ein Unternehmen, das Kompliziertes leichter macht.
Stell Deine Frage!
Wir leiten die besten Fragen an Maximilian Block weiter. Die Antworten veröffentlichen wir anschließend hier unter dem Ursprungsartikel.
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