Festliches Marketing: Es braucht gar keinen Schmalz

Deutsche Weihnachtswerbespots sind mittlerweile wie Nickelback. Seitdem Edeka die "Alter-Einsamer-Opa-Karte" zugegebenermaßen ziemlich gut spielte, piept die Mikrowelle mit den Weihnachtswerbespots im Dezember in Dauerschleife. Alles nur noch aufgewärmte Convenience-Plörre.
Sogar vor E.T. und Kevin machen die Werber nicht mehr halt. Bleibt die Furcht davor, dass ehrenlose Werbefilm-Regisseure und Autoren bald John Candy und vier jamaikanische Bobfahrer ausbuddeln. Bitte, bitte, tut uns das nicht an. Das geht doch über unsere Vorstellungskraft!
Zu Weihnachten darf es ja gerne emotional werden. Die Vorweihnachtszeit macht bekanntlich auch komische Wesen zu besinnlichen Mitmenschen. Stern-Autor Michael "Micky" Beisenherz schrieb erst neulich in seiner bissigen wie hervorragenden Kolumne: "Vorweihnachtszeit. Wenn das ganze Land eine Gefühlsinfusion erhält und selbst das zynischste Kapitalistenschwein nach dem vierten "Last Christmas" den Pappbecher auf dem Gehsteig unter sich nicht WhatsApp tippend umtritt, sondern was reinwirft."
Die Menschen sind also empfänglich für emotionale Botschaften. Sie hören und schauen etwas genauer hin. Wieso dieses kostbare Gut Aufmerksamkeit mit seelenlosen und vermeintlich weihnachtlichen Plattitüden verschwenden? Vier Beispiele für emotionales Marketing ohne Schmalz – aber dafür mit nachhaltigem Impact für eine gute Sache.
NFL: My Cleats, My Cause
Es geht um Schuhe. Aber keine Angst, der Zalando-Bote ist ganz weit weg. Im Dezember fährt die National Football League eine tolle Kampagne. Sie hat mit den Cleats, den Schuhen der Footballspieler zu tun. Die NFL erlaubt den Spielern, kleine Kunstwerke an den Füßen zu tragen. Die Schuhe sehen aber nicht nur richtig edel aus – jedes Paar tut auch etwas für den guten Zweck. Die Spieler werben mit ihren Cleats für eine Wohltätigkeitsorganisation ihrer Wahl. Das können Vereine und Verbände sein, die sich gegen häusliche Gewalt engagieren. Initiativen für eine intensivere Brustkrebsvorsorge. Oder Projekte, die Kinder aus der Jugendkriminalität holen sollen. Über 900 Spieler machten in diesem Jahr mit. Jedes Paar wird am Ende versteigert. Natürlich profitieren auch die Schuhhersteller Nike, Adidas und Under Armour von der Kampagne. Alleine das Football-Team der Seattle Seahawks generierte mit der Vorstellung der wohltätigen Schuhdesigns über 400.000 Likes auf Instagram.
Always: Like a Girl
Werbung ist Kunst. Und damit sind nicht die hiesigen Kurzfilme gemeint, die auch aus dem Schmalziversum von Til Schweiger und Matthias Schweighöfer stammen könnten. Sondern epische Clips wie "Like a Girl" von der Menstrualhygiene-Marke "Always". Dort wurde bereits vor fünf Jahren auf einfache, aber emotionale Weise die abwertende Phrase "Like a Girl" hinterfragt. Der Clip braucht kein spektakuläres Setting, weil er eine starke Message und eine noch größere Vision hat: Das "Like a Girl" keine Herabstufung mehr ist, sondern die Beschreibung von etwas Großartigem. Besonders zu Weihnachten, wo noch so manche Stereotype die Werbewelt dominieren (die Mama am Herd ist nur ein Beispiel), wäre eine ähnlich aufgeklärte Kampagne in Deutschland sicher viel Wert. Und jetzt den Spot genießen.
Metro Trains Melbourne Dumb Ways To Die
Dieser Ohrwurm ist schlimmer als "Last Christmas". Aber beim Song "Dumb Ways To Die" heiligt der Zweck ausnahmsweise die Mittel. Das schräge Lied "Dumb Ways To Die" soll Leben retten. Es ist ein Animationsfilm der Melbourner Verkehrsbetriebe. Dabei sterben die Kreaturen im Musik-Video saudumme Tode, die allesamt einen Darwin-Award verdienen würden. Dieser Preis wird an die dämlichsten unfreiwilligen Selbstmörder und Selbstmörderinnen vergeben.
Ein paar dieser Fälle greift der Videoclip sogar auf. Die Botschaft kommt nach amüsanten drei Minuten am Ende: Die Menschen sollen sich im Umfeld von Zug und Schiene doch bitte vorsichtiger verhalten und nicht mit Kopfhörern die ominöse weiße Bahnsteiglinie übertreten.
Google: Home Alone
Wenn schon ein Werbe-Medley mit "Kevin allein zuhaus", dann wenigstens mit dem echten Kevin. Google hat die finanziellen Mittel, um solche Vorhaben zu stemmen, und drehte vor einem Jahr eine geschmackvolle Parodie mit dem damaligen Darsteller Macaulay Culkin. Der machte das, was ein Kevin eben bei Sturmfrei tut, nur dieses Mal unterstützt von moderner Google-Technik. Besonders nachahmenswert: Wie der Geist dieses Kultfilms für die Produktplatzierungen genutzt wird, ohne die hohe Filmkunst zu schmähen oder zu verschandeln. Die aufrichtige Verbeugung vor dem Film und das werbliche Ansinnen verschmelzen zu einem harmonischen Anliegen.
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