Nic Lecloux - Wir sind im Unterhaltungsbusiness
Wenn eine Werbe-Kampagne ein Smoothie wäre, aus was für Zutaten müsste sie bestehen?
Wir arbeiten nicht in der Werbung, sondern im Unterhaltungsbusiness.
Na gut. Wenn die Unterhaltung ein Smoothie wäre, was bräuchte sie?
Witz. Sagen wir: 50 Prozent. Dann kommt das Unerwartete, ein überraschender Fakt mit etwa 25 Prozent. Wenn uns die Leute bei Facebook sehen, müssen sie hängen bleiben, dürfen nicht einfach runterscrollen. Im Anschluss braucht es noch relevanten Inhalt, damit das Informationsbedürfnis des Lesers befriedigt ist. Das sind die restlichen 25 Prozent.
Deine Kampagnen sind für manche witzig und herausstechend, für andere provokant und anzüglich – sicher sind sie mutig. Woher kommen die Ideen?
Oftmals kommt der entscheidende Impuls von Marco, unserem CEO und ich setze das dann mit meinem Marketing-Team kreativ um. Aber kreativ sein, das habe ich mit der Zeit gelernt, ist richtige Arbeit. Ein kluger Mann hat mal gesagt: Kreativität korreliert mit der Zeit und dem Einsatz, den man für eine Idee investiert. Da stimme ich zu.
Bei true fruits funktioniert Print auch digital. Die Texte auf den Flaschen sind bei Facebook ein Erfolgsgarant. Wie entstehen die Texte?
Jeden Freitag haben wir Redaktionssitzung. Unsere drei Texter und ich nehmen daran teil. Die Sitzung muss man sich wie einen Pitch vorstellen. Jeder Texter stellt seinen Text vor, gegebenenfalls muss er ihn verteidigen. Es wird prinzipiell demokratisch entschieden, welcher der beste war. Wenn die Flasche dann einmal im Supermarkt steht mit dem eigenen Text wird sie zu einer Trophäe, die zur gesunden Konkurrenz anspornt.
Funktioniert die Demokratie bei true fruits?
Wenn der Praktikant besser schreibt als der Chef und alle anderen, kommt sein Text auf die Flasche. Punkt. Alles andere würde den kreativen Wettbewerb untergraben. Und es kommt mittlerweile häufig vor, dass die anderen Texter besser schreiben als der Chef.
Wann ist ein Text eigentlich schlecht?
Wenn es nicht sofort „Bäääm“ macht.
Wusstest Du eigentlich schon am Anfang von true fruits, wie offensiv Du einmal werben, pardon, unterhalten willst?
Das ist ein Prozess des Ausreizens. Man probiert etwas aus und guckt, wie es wirkt. Wenn es funktioniert, traut man sich mehr. Vor zehn Jahren hätte ich auf unserem Smoothie pink, einem veganen Produkt, sicher noch nicht groß FRIKADELLE draufschreiben lassen.
Ihr habt keine Kreativ-Agentur und auch keine Agentur, die euch bei so mancher zackigen Kampagne berät. Warum eigentlich nicht?
Jeder Mensch hat pro Tag eine maximale Anzahl an Energie. Wenn sich ein Fremder in etwas hineindenken muss, was er nicht ist, und sich deshalb verfälscht, kostet das viel dieser Energie und damit Qualität. Wir wollen authentisch sein und keine Power vergeuden. Wir wollen so nach außen kommunizieren, wie wir tatsächlich sind. Mit den Kunden so reden, wir uns mit Kollegen und Freunden unterhalten. Mal frech, mal anzüglich, mal charmant. Und das geht am besten, wenn für true fruits die Leute schreiben & sprechen, die auch tagtäglich true fruits sind.
Wir haben keine getrimmte Corporate-Kommunikation und lassen uns viele Freiräume.
Bleibt da aber nicht die Gefahr, dass man alt wird und irgendwann die Frische fehlt?
Das könnte passieren – ja! Deswegen ist es auch so wichtig, sich für kreative Ideen Zeit zu nehmen. Außerdem lassen wir uns gerne von anderen Branchen inspirieren und haben immer wieder Praktikanten bei uns im Marketing, die für frischen Wind sorgen. Das klappt ganz gut.
Du wirbst gerne Mal mit anzüglichen Sprüchen oder politisch zweideutigen Kampagnen. Gibt es No-Gos?
Wir haben keine getrimmte Corporate-Kommunikation und lassen uns viele Freiräume. Jeder kann seine Persönlichkeit entfalten und so unsere Außenwirkung ein Stück weit mitprägen. Eine Ausnahme: Wir wollen niemand persönlich beleidigen oder ausgrenzen.
Freust Du dich über einen Shitstorm?
Jeder, der behauptet, er sei beim ersten Shitstorm cool geblieben, lügt. Trotzdem sind wir standhaft geblieben, weil wir ungeachtet der Kritik die Aufregung nicht nachvollziehen konnten. Das Internet hat eine absurde Empörungskultur mit einer Aufmerksamkeitsspanne eines Kolibris. Mit der Zeit lernt man, die künstlich Empörten nicht mehr so ernst zu nehmen. Bei Kritik an unserem Produkt hingegen hören wir sehr genau zu.
Worum ging es damals beim ersten Shitstorm?
Um diesen Flaschentext, den wir bei Facebook gepostet hatten:
Werbung klappt. Unterhaltung klappt. Das mit dem pürierten Obst ohnehin. Was könnt ihr nicht?
In der Technik holen wir uns Support von einer kleinen lokalen Agentur, bei Videos setzen wir auch auf Experten. Für eine Kampagne mit BBDO konnten wir so sogar Heinz F***ing Strunck als Sprecher gewinnen. Das war geil. Ansonsten gilt: Wir sind für Hilfe nicht verschlossen, nur soll die Kreation immer bei uns im Haus bleiben.
Wann hast Du das letzte Mal eine andere Werbung richtig geil gefunden?
Mir passiert das oft, das ich mich über fremde Sachen freue. Ich bin ein Facebook- und Instagram-Junkie. Sehe ich geile Socken, liegen diese schnell im Warenkorb. Im Fernsehen blieb mir die Southern Comfort Werbung in Erinnerung. Der dicke Mann am Strand, mit der kurzen Badehose, der gebräunten Wampe und dazu die Locken.
Hast Du einen unerfüllten Werbetraum?
Letztes Jahr ist schon ein kleiner Werbetraum in Erfüllung gegangen. Wir haben einen Award ins Leben gerufen – den „Eier-aus-Stahl-Award“. Damit zeichnen wir Unternehmen aus, die sich durch besonderen Mut auszeichnen. Passend dazu haben wir auch ein mutiges Symbol für den Award gewählt und die Hoden unseres CEO Marco Knauf in Stahl gießen lassen. Aber man sollte ja nie aufhören zu träumen…
Unser Projekt heißt GrowSmarter: Wann ist true fruits am klügsten gewachsen?
Vor drei Jahren mit dem Einstieg in das Geschäft mit den Green Smoothies.
Was war daran smart?
Smart war damals, dass wir mit einem Grundsatz gebrochen haben. Wir füllen unsere Smoothies in Glasflaschen ab. Kein Etikett, sondern ein dezenter Keramikdruck schmückt unsere Flasche. Der Blick auf das Wesentliche – den Inhalt – bleibt unverdeckt.Doch bei den Green-Smoothies hatten wir ein Problem. Wer sich zuhause Green Smoothies selber mixt, weiß, dass nicht jede Variante leuchtend grün ist und sich oft auch absetzt. Da wir aber von Green Smoothies überzeugt waren und mochten, dass die Leute sich unbefangen mit dem Thema auseinandersetzen und sich ganz und gar vom Geschmack überzeugen lassen und nicht von der Farbe, haben wir den Smoothie in Grünglas gefüllt. Wäre die Flasche nicht grün, wären die Absätze deutlich geringer – weil viele Kunden die Farbe nicht leuchtend und schön genug ist. Und als wir vor der Frage standen: Keine Green Smoothies oder Green Smoothies in grünen Flaschen, haben wir uns bewusst für letztere Variante entschieden.Mit Erfolg: Heute zählt der Green Smoothie no. 1 zu unseren erfolgreichsten Sorten.
Jetzt zur wichtigsten Frage: Warum sind keine Mandarinen in euren Flaschen?
Wir mögen Mandarinen. Das Problem: Mandarinen enthalten Bitterstoffe. Daher muss man die richtigen Komponenten finden, die zur Mandarine passen und das haben wir bisher noch nicht. Aber vielleicht wird das ja irgendwann noch mal.
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