Warum wir Vorbilder brauchen
Glaubt man einer Anzeige aus den 1950er Jahren, hat eine Frau zwei wichtige Fragen im Leben: Was soll ich anziehen und was soll ich kochen? Die Rolle der Frau in der Gesellschaft war ebenso klar: Sie kümmerte sich um den Haushalt, das Putzen, die Kinder und sorgte dafür, dass das Essen auf dem Tisch steht, wenn der Ehemann von der Arbeit nach Hause kommt. Hausfrau zu sein war ihre Bestimmung. Glücklicherweise sind diese Zeiten vorbei und es hat sich eine Menge verändert – immer mehr Frauen haben sich getraut, Heim und Herd zu verlassen, ihrer Leidenschaft zu folgen und sich in vermeintlich männlichen Berufen selbst zu verwirklichen.
Die Geschichte von Annie Bousquet
Die Rennaufsicht des Sebring-Rennens Der Sebring-Raceway befindet sich in Florida, USA, und ist Austragsort eines 12-Stunden-Rennen verweigerte ihr sogar die Teilnahme an einem wichtigen Rennen, weil die US-Regierung schlicht keine Rennfahrerinnen duldete. Diese Ablehnung ist heute unvorstellbar - für Annie Bousquet war sie Alltag. Mehr Glück hatte sie bei der Tour der France, bei der sie einen Porsche 550 fuhr und Achte wurde. Einige Rennen später verhalf ihr der starke Porsche zum besten Ergebnis ihrer Karriere, dem zweiten Platz im Bol d’Or.Motorsport-Rennen, das heute in Magny-Cours ausgetragen wird.
Sie belehrte ihre Kritiker eines Besseren und bewies, dass es keine Frage des Geschlechts ist, ob man ein gutes Rennen fahren kann – ein wichtiger Schritt, nicht nur für Annie Bousquet und andere Rennfahrerinnen, sondern auch für die weibliche Emanzipation insgesamt.
Das Mindset von Bousquet lebt weiter
In den 1950er Jahren war Rennsport sehr gefährlich und es kam leider häufig zu tödlichen Unfällen. Annie Bousquet erlebte, wie Teamkollegen schwer verletzt wurden, ihr Mann starb sogar bei einem Rennen. Trotzdem verlor sie nie den Mut und kehrte immer wieder auf die Rennstrecke zurück. Dieser Mut hat viele Frauen inspiriert. Leider war es dennoch nur eine Frage der Zeit, bis auch Annie sich schwer verletzte. Nach einem Unfall beim 12-Stunden-Rennen in Reims starb sie 1956 auf tragische Weise, nur vier Jahre nach ihrem Renndebüt.
Daraufhin wurden Fahrerinnen komplett aus dem Motorsport verbannt – Wasser auf die Mühlen derer, die bezweifelten, dass Frauen überhaupt Rennen fahren können. Das Verbot hatte Konsequenzen für die Karrieren anderer Fahrerinnen, die nun nicht mehr antreten durften. Dennoch blieb Annie Bousquet für viele Frauen eine couragierte Feministin, die ihnen mit Mut und Pioniergeist Kraft gab. Um ihr Erbe zu wahren, wurde die Strecke, auf der sie tödlich verunglückte, nach ihr benannt.
Weibliche Vorbilder ermutigen Frauen
60 Jahre später haben sich viele Frauen von den wenig bis gar nicht vorhandenen Karrierechancen der 50er und 60er Jahre befreit. Wir können frei wählen – wenn wir uns entscheiden, uns um Haushalt und Kinder zu kümmern, dann weil wir das wollen und nicht weil wir dazu gedrängt werden. Wir können unseren Leidenschaften folgen und einen Beruf ergreifen, der zu uns passt.
Trotzdem gibt es noch Luft nach oben – Frauen müssen selbstbewusster und mutiger werden, davon bin ich überzeugt. Auf der anderen Seite müssen aber auch Gesellschaft und Politik Raum für Veränderungen schaffen. Für eine gleichberechtigte Zukunft brauchen wir starke Vorbilder, die Mädchen dazu ermutigen, aus ihrer Komfortzone herauszukommen und die ihnen zeigen, dass sie alles werden und erreichen können. Das können zum Beispiel Frauen sein, die erfolgreich in den Club der Manager vorgestoßen sind, Unternehmen führen oder in den Weltraum fliegen. Sie beweisen, dass Kompetenz, Können und Erfolg keine Frage des Geschlechts sind. Ihre Bemühungen öffnen die Türen zu einer neuen Ära der Gleichberechtigung.
Rennsport: Die neue Generation wächst heran
Und wie sieht die Situation der Rennfahrerinnen heute aus? Leider müssen wir zugeben, dass sie sich nicht allzu sehr von Annies Tagen in den 1950er Jahren unterscheidet. Obwohl Frauen wieder in „Le Mans“ starten dürfen, gab es in diesem Jahr nur eine Frau unter den 180 Teilnehmern: Christina Nielsen. Die Dänin sagt über sich selbst: „Ich bin keine Frau, die Rennen fährt. Ich bin eine Rennfahrerin, die eine Frau ist.“ Das beweist ihre Einstellung: Sie ist selbstbewusst. Das liegt auch daran, dass niemand in ihrer Familie jemals gesagt hat „Du kannst das nicht, weil du eine Frau bist.“ Leider erfährt nicht jedes Mädchen diese Art von Ermutigung. Durch ihren Vater, selbst Rennfahrer, kam Christina Nielsen schon früh mit dem Motorsport in Berührung. Mit 15 Jahren ließ sie sich den Spruch „Racing is life“ gegen den Willen ihres Vater tätowieren. Doch sie behielt Recht und machte ihr Hobby bald zum Beruf – mit großem Erfolg, gerade auch im Vergleich zur männlichen Konkurrenz.
Gib Dich nie mit etwas zufrieden
Trotz ihres Erfolgs verspürt Christina Nielsen immer noch einen Druck, der auf ihr lastet – weil sie eine Frau ist. Wenn sie einen Unfall hat, gibt es immer jemanden, der ihr einen trivialen Ratschlag gibt, als ob der Unfall auf einen Mangel an Kompetenz zurückzuführen wäre. Männer, die einen Unfall hatte, haben hingegen „alles gegeben“. Aber das entmutigt Christina nicht. Sie schöpft Kraft aus ihrem Porsche-Team, das immer hinter ihr steht. Die Unterstützung ihres Umfeldes ist ihr Schlüssel zum Erfolg. In ihren engsten Freundeskreis lässt sie nur Menschen, die wirklich glauben, dass sie es kann, weil sie eine Frau ist.
Trotz ihrer herausragenden Leistungen will sich Christina nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen und ist mit ihrer Leistung noch nicht zufrieden. Neben dem professionellen Rennsport absolviert sie ein Studium der Betriebswirtschafts- und Marketingkommunikation. Jetzt hat sie sich ein neues Ziel gesetzt: Sie will die Technik eines Porsche (noch) besser verstehen. Obwohl ihr schon so viel gelungen ist, hat sie noch lange nicht alles erreicht, was sie sich vorgenommen hat. Das ist ein wesentlicher Bestandteil ihrer bemerkenswerten Persönlichkeit und macht sie zu einem großen weiblichen Vorbild.
Wir brauchen mehr (weibliche) Role Models
Für mich sind Annie und Christina echte Vorbilder. Wie sie möchte auch ich alle Frauen motivieren, ihrer Leidenschaft zu folgen, egal welche es ist. Indem wir unseren eigenen Weg gehen, werden wir Vorbilder für zukünftige Generationen und zeigen Mädchen, dass alles möglich ist. Mehr über inspirierende Frauen und Männer gibt es übrigens in unserem Porsche Medium Blog, bei Twitter und Instagram.
Anmerkung: Dieser Beitrag erschien zuerst in englischer Sprache auf dem #NextLevelGermanEngineering Blog von Porsche und wurde mit freundlicher Genehmigung der Autorin und Porsche für eine deutsche Zweitverwertung zur Verfügung gestellt.
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