Experten-Dossier: Der Eisberg E-Commerce
Online Marketing

Experten-Dossier: Der Eisberg E-Commerce

GrowSmarter ist eine Plattform für deutsche Marketing- und New Work Experten. Im Dossier E-Commerce bündeln wir die wichtigsten Ansichten. Ausgabe1: E-Commerce.

von Hannes Hilbrecht
© Photo by Alexander Hafemann on Unsplash

"Der E-Commerce ist ein Eisberg, von dem wir nur die Spitze sehen", das sagte Kai Hudetz im Frühjahr 2016. Drei Jahre sind seit dieser Aussage vergangen. Das sind Äonen in unserer digitalen Welt. Doch trotzdem ist die Aussage immer noch wahr. Das E-Commerce-Business verändert sich laufend, die Geschäfte verlagern sich - und doch ist kein Ende in Sicht. Nur ein Beispiel: Rewe und Edeka mit ihren Lieferdienst-Transporten in engen Gassen - was vor drei Jahren noch unausgegoren war, ist mittlerweile eine weit verbreitete Szene in deutschen Großstädten.

Wir haben in den ersten Monaten von GrowSmarter.de einige Beiträge zum Thema E-Commerce recherchiert und veröffentlicht. Hacks, Interviews oder das Format #nureinefrage. Experten von MyMuesli und Douglas beantworteten unsere Fragen.

In diesem Dossier bündeln wir drei unserer LongReads zum Thema E-Commerce. Es geht um die Krake "Amazon", smarte Produktentwicklung und den steinigen Weg einer neuen Idee.

Kai Hudetz, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung © Institut für Handelsforschung

Kai Hudetz, Gründer Institut für Handelsforschung

Kai Hudetz ist einer der renommiertesten Experten des deutschen Online Handels. Wir haben mit ihm über deutsche Best Practices und Amazon gesprochen.

Die Suchfunktion nicht wirklich gut, die UX verbesserungswürdig und das Design auch nicht gerade preisverdächtig. Warum wurde Amazon so erfolgreich?
Was Du sagst, unterschreibe ich zu 100 Prozent. Auch unsere repräsentativen Konsumentenstudien kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Nämlich, dass Amazon alles andere als eine perfekte Plattform ist. Doch das Unternehmen besticht zuallererst mit rund 300 Millionen verschiedenen Produkten. Das wahre Erfolgsrezept ist aber nicht die Breite des Angebots, sondern der Trust-Faktor. Die Kunden vertrauen Amazon als Marke. Sie haben das Gefühl, dass ihre Käufe sicher ankommen, wenn sie dort bestellen. Das liegt vor allem am starken Kundenservice, in den Amazon schon früh viel investiert hat. Wenn es mal ein Problem gibt, eine Bestellung nicht ankommt, beschädigt ist oder sich stark verspätet, ist Amazon besser als die anderen aufgestellt und performt auf hohem Niveau. Und natürlich funktionieren auch ihre Kundenbindungsprogramme Amazon Prime Video und Amazon Music hervorragend.

Kann man das Erfolgsrezept von Amazon in einem Satz destillieren?
Amazon denkt nicht zuallererst an die eigene Marke, an deren Wirkung oder Produkte – sondern an die Interessen der Kunden.

Amazon wird vom Einzelhandel scharf kritisiert, gilt für Beobachter als Krake, die alles an sich reißt. Aber könnte Amazon nicht auch ein Wachstumsbeschleuniger für den Mittelstand sein?
Das ist Amazon - teilweise - ja bereits. Es gibt viele Erfolgsgeschichten von Firmen, deren Umsätze explodierten, nachdem sie mit Amazon kooperiert haben. Wichtig ist aber auch hier: Es braucht ein starkes Produkt und eine clevere Strategie. Man muss Amazon etwas bieten – und das sind eben neue Angebote, die diese globale Plattform bereichern. Langfristig bringt es nichts, bei Amazon etwas zu verkaufen, was alle anderen auch anbieten können. Das funktioniert nachweislich nicht.

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Max Wittrock gründete mit zwei Partnern mymuesli. © mymuesli by Viktor Strasse

Max Wittock, Gründer MyMuesli

Max Wittrock ist mehr als der Gründer von MyMuesli. Er gilt in der deutschen Szene als einer der Top-Keynote-Speaker. Wir haben mit ihm über die richtige Nische und Customization gesprochen.

Warum seid Ihr erfolgreich?
Das ist eine schwierige Frage. Ich versuch’s mal: Also zum einen glaube ich, dass wir ein wirklich gutes Produkt machen. Das ist schon mal die Basis für alles andere. Zum anderen sind wir ja kein Vollsortimenter, der angetreten ist, um mit Supermärkten zu konkurrieren. Sondern wir sind ein Spezialist. Ein Nischen-Anbieter, wenn man so will – der on- und offline verbinden will, anstatt eines davon abzuschaffen. Vielleicht sind wir deswegen nicht ganz vergleichbar mit vielen anderen Konzepten.

Anders gefragt: Wieso seid Ihr als Nischen-Anbieter also erfolgreich?
Ich fang wieder mit dem Produkt an: Wichtig war, dass wir uns bei unserer Gründung für ein Produkt in einer Nische mit einem klaren USP entschieden haben. Ein Unternehmen, das es möglich macht, Müsli variabel und online zusammenzustellen, gab es vorher nicht. Zudem erreichen wir mit diesem Angebot auch viele kleinere Zielgruppen, die für viele Anbieter gar nicht relevant wären. Zum Beispiel Sportler, Rosinenhasser oder Allergiker und Menschen mit Lebensmittelunverträglichkeiten, die mit den fertigen Mischungen aus dem Supermarkt oft Probleme haben, ob für einen selbst oder als Geschenk.

Euer Konfigurator ist das "Herz" Eurer Website. Was muss er "können"?
Man sagt ja: "People love customization, but hate to customize." Und genauso ist es: Kunden finden es toll, wenn ihr Name auf einer Müslidose steht. Aber sie werden eher ungern selbst aktiv, wenn’s zu lange dauert. Oder anders gesagt: Es darf nicht zu aufwendig sein und muss Spaß machen. Deshalb ist die Benutzerfreundlichkeit des Konfigurators und der gesamten Website so entscheidend. Wir müssen es den Kunden so leicht und anschaulich wie möglich machen, damit sie die Lust am Zusammenstellen und Mixen nicht verlieren.

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Gründerin Katharina Mayer mit Oma Renate © Kuchentratsch

Katharina Mayer, Kuchentratsch.de

Direkt von der Uni ins eigene Unternehmen: Katharina Mayer verkauft deutschlandweit von Münchner Omas und Opas gebackten Kuchen. Wie sie den schwierigen Anfang meisterte - und wie sie ihr E-Commerce-Business ausbauen will.

Eure Omas backen ihre Lieblingskuchen, die Ihr in München über Lieferopas und deutschlandweit mit der Post verschickt. Wie bist Du auf diese charmante Idee gekommen?
Ich habe mich bei meinem BWL Studium fernab der Heimat gefragt, warum es so leckeren Kuchen wie den von meiner Oma eigentlich nirgends zu kaufen gibt. Gleichzeitig habe ich gemerkt, dass der Verkauf von Omakuchen auch SeniorInnen zugute kommen könnte. Sie können ihre Backleidenschaft ausleben, neue Leute kennenlernen und sich ihre Rente aufbessern. So habe ich mit 24 Jahren beschlossen, alles auf eine Karte zu setzen und habe Kuchentratsch gegründet. Danke für dein Kompliment!
 
Nun steht nach der guten Idee immer ein großer Berg an Arbeit. Was war die größte Herausforderung in der Gründungsphase von?
Die größte Herausforderung gab es für mich tatsächlich gleich ganz am Anfang: Ich musste erstmal meine Familie und Freunde davon überzeugen, dass ich mit meinem BWL Studium nicht in den super bezahlten und sicheren Angestelltenjob starte, sondern mein eigenes soziales Unternehmen mit Omas und Kuchen aufbauen will. Da gab es in meinem Umfeld zunächst viele Zweifel. Umso schöner ist es, die ersten Erfolge vorzuweisen und zu merken: Es hat sich gelohnt, an meine Idee und mich zu glauben.
 
Was war Dir wichtig, als Du ein sehr analoges Business - die Omas und Opas am Herd - über die Website in die digitale Welt übersetzt hast? Was soll für den User bei Kuchentratsch "rüberkommen"?
Die Omas und Opas sind unser Herzstück und das soll auf der Website auch deutlich werden. Deshalb ist bei jedem Kuchen ein Bild der Oma (oder des Opas) dabei, welche(r) das Rezept für den Kuchen mitgebracht hat. Dazu gibt’s auch noch ein handgeschriebenes Zitat der Backoma. Darin erklärt sie, was den Kuchen so besonders macht oder zu welchem Anlass sie ihn gerne backt. So kommt die Backleidenschaft unserer SeniorInnen hoffentlich auch beim Besucher der Website und am Ende beim Kunden an.

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In diesem Artikel
Hannes Hilbrecht

Hannes, Jahrgang 1993, gestaltet Content-Marketing-Projekte für die Digital-Agentur MANDARIN MEDIEN. Schrieb zuvor für Medien wie ZEIT ONLINE, den Berliner Tagesspiegel oder NDR.de. Ist nebenbei Fußballkolumnist. Erzählt jedem, den er trifft, dass er LeBron James interviewt hat. Für euch erreichbar unter: hannes.hilbrecht(ett)growsmarter.de

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